Predigt von Pfarrer Ralf Krust im Herbst 2025 in Eschelbronn (badischer Kraichgau)

Gratwanderung

Liebe Gemeinde,
wenn wir im Urlaub in den Bergen sind, kommen wir manchmal an einen Grat, an dem es rechts und links in den Abgrund geht. Wenn der Weg über einen solchen Grat geht, dann ist dort oft ein Seil, an dem wir uns festhalten und über den Grat hangeln können. Dabei kommt es auf zwei Dinge an: die Hand am Seil und den Weg am Blick zu haben. Wenn ich das Seil loslasse, oder auf dem Weg stolpere, dann laufe ich in die Gefahr, in den Abgrund zu stürzen. Eine solche Gratwanderung gibt es auch im christlichen Glauben und davon redet unser heutiger biblischer Text.

Die Bibel - 1.Petrus 5, 5b-11 (Sonntag, 28.09.2025)
5bEuer Umgang miteinander soll von Demut geprägt sein. Denn Gott stellt sich den Hochmütigen entgegen, aber den Bedürftigen schenkt er seine Gnade. 6Beugt euch also demütig unter Gottes starke Hand. Dann wird er euch groß machen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. 7Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch. 8Bewahrt einen klaren Kopf, seid wachsam! Euer Feind, der Teufel, streift wie ein brüllender Löwe umher. Er sucht jemanden, den er verschlingen kann. 9Leistet ihm Widerstand, indem ihr am Glauben festhaltet! Ihr wisst, dass eure Brüder und Schwestern in dieser Welt die gleichen Leiden ertragen müssen. 10Gott hat euch in seiner großen Gnade dazu berufen, an seiner ewigen Herrlichkeit teilzuhaben. In der Gemeinschaft mit Christus habt ihr Teil daran. Nur für eine kurze Zeit müsst ihr leiden. Dann wird er euch wieder aufrichten und stärken, euch Kraft verleihen und euch Halt geben. 11Ihm gehört die Macht für immer und ewig. Amen.

Beginnen wir damit, uns über die beiden wesentlichen Begriffe klar zu werden, die Demut und der Hochmut. Demut kann ich mit der Umschreibung, sich selbst nicht so wichtig nehmen“ sehr gut erklären. Und Hochmut bedeutet, ich brauche niemand anderen, auch nicht Gott, ich bin mir selbst genug.

Nun ist der christliche Glaube wie eine Gratwanderung in den Bergen. Auf der einen Seite des Grates ist der Abgrund der Selbstgerechtigkeit, des Stolzes und des Hochmutes. Auf der anderen Seite des Grates ist die falsch verstandene Demut, der Abgrund der Selbstaufgabe, der Gesetzlichkeit und der Resignation. Das Seil, an dem ich mich halten kann, heißt Glauben. Gespannt hat es Jesus Christus durch seinen Tod am Kreuz. Den Blick auf den Weg zu richten, heißt den Blick auf die Gnade Gottes zu richten.

5,5c Denn Gott stellt sich den Hochmütigen entgegen, aber den Bedürftigen schenkt er seine Gnade.“

Hochmut ist zu meinen, ich brauche das Seil nicht, sondern ich kann hüpfend und springend über den Grat gehen und dabei in die Luft schauen. Das dies in den Bergen nicht geht, wird jeder einsehen. Doch im wirklichen Leben ist es riskant auf das Seil des Glaubens und auf Gott zu pfeifen, der sie geschaffen hat und der ihr Leben einmal beurteilen wird außen vor. Und so können wir sagen: Der Hochmut ist des Teufels liebste Badewanne.
Der Demütige weiß, dass er sein Leben Gott verdankt und dass er es einmal vor ihm verantworten wird. Der Demütige ist der Mensch, der seinen Halt in Gott gefunden hat. Martin Luther sagt von ihr: „Rechte Demut weiß niemals, dass sie demütig ist, denn wenn sie es wüsste, so würde sie hochmütig.“

Wie bei einer Gratwanderung gibt es zwei Abgründe, in die ich stürzen kann, die Selbstgerechtigkeit und die Gesetzlichkeit. Der Abgrund der Selbstgerechtigkeit, des Stolzes und der Hochmut ist die größere Gefahr für die Menschen, die mit dem Glauben nichts zu tun haben wollen. In den Abgrund der Selbstaufgabe, der Gesetzlichkeit und der Resignation stürzen dagegen eher diejenigen, die in der falschen Weise fromm sein wollen.
Die Selbstgerechtigkeit sagt: es ist schon recht, wie ich bin. Ich habe noch niemand umgebracht, bin meistens ehrlich und tue nichts Ungesetzliches. Hier hindert der Stolz, die eigenen Fehler zu sehen. Jeder Mensch hat Fehler, macht Dinge falsch und bedarf so der Vergebung Gottes. Damit ich meine Fehler erkenne, hat Gott uns sein Gesetz gegeben und Jesus hat es uns erklärt. Das nicht anzuerkennen, das ist Hochmut.

Die Gesetzlichkeit dagegen sagt, dass ich Gottes Gesetze vollständig einhalten kann. Wenn ich nur genug an mir arbeite und mich selbst aufgebe, werde ich es schaffen. Wenn ich nur lange genug Buße tue und mich ihm unterwerfe, dann werde ich meine eigene Unzulänglichkeit überwinden. Dieser Weg führt in die Resignation und letztendlich zu der Frage an Gott: reicht es was ich mache? Doch: Jeder Mensch, der in seinem Leben Jesus Christus nachfolgt, hat Fehler und macht Dinge falsch und bedarf so der Vergebung Gottes.
Wenn ich in einen der beiden Abgründe stürze, kommt es beides Mal davon, dass ich Gottes Vergebung in Jesus Christus ablehne und mein Leben aus eigener Kraft, ohne Gott meisten will. Darum ist es so wichtig, was Petrus weiterschreibt: 
5,6 Beugt euch also demütig unter Gottes starke Hand. Dann wird er euch groß machen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.“

Wenn es so gefährlich ist, über den Grat zu gehen, ist es dann nicht besser gar nicht loszuwandern, sondern auf der anderen Seite stehen zu bleiben? Wer vor dem Grat der Gnade und des christlichen Glaubens stehen bleibt, der wird nie in Gottes neue Welt kommen. Es ist wie bei einer Wanderung: am Weg sitzen zu bleiben, bringt mich nicht an das Ziel.

Mit dem Beugen unter Gottes Hand ist es nicht leicht. Oft erkenne ich nicht, dass es sich bei den Schwierigkeiten und Problemen auch um Gottes Hand handelt, mit der er mich auf den rechten Weg bringen will. Das erkenne ich nicht, weil die Sorgen mir den Blick auf Gott versperren: 5,7 Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“

Martin Luther hat gesagt: „Der Satan sät Sorge in unser Herz. Da gehört sie nicht hinein, sondern auf unseres Herrn Rücken.“

Gott geht nicht für uns zur Arbeit oder zur Schule. Gott redet nicht das Wort um Vergebung zu unseren Eltern, unseren Kindern oder unserem Ehepartner gegenüber; Gott liest nicht für uns in der Bibel oder führt über unsere Sorgen Selbstgespräche. Das sind Dinge, die wir selbst regeln müssen.

Aber Gott nimmt sich unserer Sorgen am Arbeitsplatz und der Schule an. Gott gibt uns die Kraft das Wort der Vergebung zu sprechen und begangenes Unrecht zuzugeben und wenn möglich Wiedergutmachung zu leisten. Gott gibt uns den Verstand, die Bibel zu verstehen und den Mut ihm die Sorgen im Gebet zu bringen. Das bedeutet es, dass wir unsere Sorgen Gott bringen sollen. Wir dagegen sollen: 5,8a Bewahrt einen klaren Kopf, seid wachsam!“

Auf dem Grat gilt es einen klaren Kopf zu behalten, auf den Weg zu achten und die Hand am Seil zu haben. Gespannt hat das Seil Jesus Christus durch seinen Tod am Kreuz. Durch die Vergebung unserer Schuld hat er für uns den Weg zu Gott frei gemacht. Im Glauben besonnen und wachsam zu sein heißt, in enger Verbindung mit Gott zu leben. 

5,8b Euer Feind, der Teufel, streift wie ein brüllender Löwe umher. Er sucht jemanden, den er verschlingen kann.“
Es ist nicht so, dass wir nur auf uns achten müssen. Das Böse tritt an uns heran und achtet darauf, ob wir wachsam sind. Wir allein können dem Teufel nicht widerstehen, denn das teuflische ist, das er listiger ist, als alle unsere Abwehr. Allein der Glaube an Jesus Christus ist der Schutz, der dem Teufel standhält und seine listigen Pläne aufdeckt: 

5,9 Leistet ihm Widerstand, indem ihr am Glauben festhaltet! Ihr wisst, dass eure Brüder und Schwestern in dieser Welt die gleichen Leiden ertragen müssen.“

Beim Grat im Gebirge ist es das Seil, das uns bewahrt. In der Beziehung zu Gott, ist es der Glauben an Jesus Christus, der uns die Kraft zum Durchhalten gibt.

„5,10 Gott hat euch in seiner großen Gnade dazu berufen, an seiner ewigen Herrlichkeit teilzuhaben. In der Gemeinschaft mit Christus habt ihr Teil daran. Nur für eine kurze Zeit müsst ihr leiden. Dann wird er euch wieder aufrichten und stärken, euch Kraft verleihen und euch Halt geben.“

Ein Grat ist zumeist kurz. Auf einer Bergwanderung sind wir einmal ziemlich am Anfang der Wanderung einen kurzen Grat gegangen. Als wir den hinter uns gelassen haben, war der Weg dann wieder sicher. 

So ist es auch im christlichen Glauben. 
Da gibt es Zeiten, da braust und tost um uns herum alles, wir stehen auf einem Sturm gepeitschten Grat, die Schwierigkeiten und das Leiden machen uns das Leben schwer. Hier gilt es das Seil des Glaubens festzuhalten und auf den Weg Gottes zu blicken, denn dann werden wir sicher an das andere Ende des Grates kommen.

5,11 Ihm gehört die Macht für immer und ewig. Amen.“

Wenn man dann so einen gefährlichen Wegabschnitt in den Bergen hinter sich hat und die Augen zu den Bergen hebt und das großartige Panorama sieht, dann weiß man, dass es sich gelohnt hat. 

So auch im Glauben, wenn wir einen schwierigen Lebensabschnitt im Glauben gemeistert haben, dann können wir mit Petrus froh in das Lob Gottes einstimmen: 
„Denn Gott allein gehört alle Macht für immer und ewig. Das ist ganz gewiss!“

Amen.